Das ideale Fischerboot …. ?

Diese Frage hat sich wohl schon jeder Fischer irgendwann einmal gestellt. Grundsätzlich ist die Antwort aber weit schwieriger als im ersten Moment angenommen, da das „ideale Fischerboot“ für jeden Fischer irgendwie anders aussieht bzw. ausgestattet ist.

Mich ereilte diese Frage im Sommer 2006, nachdem meine treue Holzzille in die Jahre gekommen war. Nach 10 Jahren treuen Dienstes war sie trotz jährlicher Pflege mit Schleif- und Lackiereinsatz reif für eine professionelle Reparatur. Ich entschied mich schließlich nach der laufenden Fischerei-Saison zu verkaufen und für die Saison 2007 ein neues Boot anzuschaffen.

Nachdem diese Entscheidung grundsätzlich getroffen war, startete das Projekt „Das ideale Fischerboot“ oder „Die Suche nach der eierlegenden Wollmilchsau der österreichischen Binnenfischerei!“.

Zuerst mussten natürlich die Rahmenbedingungen für die Anschaffung geklärt werden.

 

Die 1. Frage lautete nun: „Welche Form und welche Abmessungen sollte das neue Boot haben bzw. aus welchem Material sollte es sein?“

 

Also vorab war einmal folgendes zu klären:

I) Bootsform: Flachboden, V-Kiel oder Semi-V (Kompromiss/Mischform zwischen V-Kiel und Flachboden)

II) Abmessungen: Länge zwischen 4,5 und 6 m, Breite zwischen 1,30 und 1,80 m,möglichst geringer Tiefgang (Uferangeln, Anlegen, etc.)

III) Material: Holz, GFK (Polyester) oder Aluminium

 

Die Antwort nach den Abmessungen nahm mir die Gewässer-Vorschrift meines Angelgewässers ab. Da ich im Rahmen von 6 Meter Länge und 1,5 Meter Breite für meinen Anlegeplatz bleiben musste, waren diesbezüglich schon Grenzen gesetzt.

Das Material machte mir da schon mehr Sorgen. Holz war zwar als Werkstoff ideal und auch selbst leicht zu verarbeiten, aber die Pflegefrage war sofort wieder im Raum. Die Entscheidung sollte zwischen Alu und GFK-Rumpf fallen. Doch noch waren wir noch nicht soweit.

 

Die 2. Frage war zuvor noch zu klären: „Was muss das ideale Fischerboot alles können?“

 

I) Stauräume / Kästen: Vorne, hinten, Rutenkästen, Fischkasten, ….

II) Angelarten: Uferangeln, Schleppfischen, Downrigger,

Vertikalfischen, Spinnangeln, Driftfischen, …

III) Motorisierung: Außenbordmotor, E-Motor, …

 

Wenn die Entscheidung fällt, dass das Fischerboot alle vorangeführten Punkte erfüllen soll, landet man zwangsläufig bei den Amerikanischen Bassbooten. Diese Schmuckstücke aus Aluminium werden von einer Vielzahl von Firmen angeboten. Die bekanntesten Namen sind ALUMACRAFT, MIRROCRAFT, LUND, etc. Diese Boote vereinen alles, was der anspruchsvolle Fischer von einem Angelboot verlangen könnte. Die Firma RHEA hat mit dem Modell Gipsy auch eine europäische Variante in GFK anzubieten, die den amerikanischen Alu-Booten um nichts nachsteht.

Wenn einem finanzielle Fragen keine Probleme bereiten, oder man vorgestern einen Lotto-Sechser gemacht hat, dann kann man das Projekt getrost hier abschließen und zum Händler gehen!

Da weder das eine noch das andere auf mich zutraf bzw. zutrifft, ging die Suche weiter!

 

Ich war also auf der Suche nach einem Fischerboot in Zillenform aus Aluminium oder GFK, welches folgende Voraussetzungen erfüllen sollte:

1) Länge: 4,5 – 6 m, Breite max. 1,50 m

2) Stauräume vorne und hinten

3) Rutenkästen

4) Fischkasten mit Frischwasserpumpe

 

Außerdem sollte dieses Boot noch in einem leistbaren Preis-Leistungsverhältnis stehen.

Wie man hier ganz eindeutig sieht, habe ich einige Anleihen bei den durchdachten amerikanischen Bass- bzw. Trophy-Boats geholt. Egal, das musste doch auch in Österreich aufzutreiben sein.

Leider konnte ich in Österreich keinen Händler finden, der mir ernsthaft ein RHEA Gipsy verkaufen wollte. Mir war es trotz mehrmaligem Anlauf nicht möglich genaue Preise für die Ausstattungen bzw. den Import zu erfragen.

 

Also begann ich mit folgendem Eigenentwurf:

 

Skizze1
Erste Skizze

 

 

Die klassische Zillenform erschien mir für den angestrebten Zweck ideal. Die Grundform sollte vorne und hinten „serienmäßig“ mit Stauräumen ausgestattet sein. Dann könnte ich vorne zusätzlich noch den Fischkasten und links und rechts Rutenkästen vorsehen.

Von diesem Modell wollte ich eigentlich nicht mehr abrücken und begann eine geeignete Zille bzw. eine Werft zu suchen, die mir die Umbauten ermöglichen sollte.

 

Frage 3: „Wer baut mir ein solches Boot nach meinen Plänen?“

 

Da ich eine sehr klassische Bootsform gewählt habe, standen nun eine Vielzahl von Anbietern zur Auswahl. Naturgemäß war die Zahl der Anbieter von GFK-Booten im europäischen Raum viel höher als die Anbieter von Alu-Booten. Zu diesem Zeitpunkt

entschied ich mich für einen GFK-Rumpf. Boote dieser Art gibt es in den verschiedensten Ausführungen und auch Preisen.

Die Preise variieren zwischen 500 und 3500 Euro. Die Preisunterschiede sind vor allem in der Qualität zu suchen. Es macht schon einen erheblichen Unterschied, ob man sich einen sog. „Joghurt-Becher“ (einwandige Form) oder eine unsinkbare doppelwandige Zille anschafft.

Diese Frage war aber leichter zu klären. Ein wirkliches Problem waren zumeist Anbauten und Kästen nach Maß planen und Ausführen zu lassen. Es sollte also noch eine Weile dauern, bis ich eine geeignete Bootswerft finden konnte.

Im September 2006 besuchte ich die Bootswerft MEYER in Aggsbach-Markt in der Wachau. Diese Werft ist zwar vorwiegend für Sportboote bekannt, ich wusste aber, dass die Firma auch Zillen aus Holz und GFK vertreibt. Tatsächlich befindet sich im Programm der Fa. MEYER eine Zille, die meinen Vorstellungen entsprach. Bei einer Länge von 4,80 und einer Breite von 1,45 Metern entsprach die TICINO dem gesuchten Modell. Der Unterschied zu den anderen von mir aufgesuchten Anbietern war, dass der Firmeninhaber auf meine Anfrage nach Sonderanfertigungen konkret einging. Die Antwort „Geht nicht!“ habe ich von Anfang an nicht zu hören bekommen.

Um die genauen Abmessungen für die von mir links und rechts geplanten Rutenkästen fixieren zu können, baute ich einfach Modelle aus Karton. Damit war schnell klar, wie breit die Rutenkästen sein durften, um noch genügend Platz für mich und meine Beine übrig zu lassen. Als Idealmaß hatte sich eine Breite von 27 cm erwiesen. Bei diesen Abmessungen verblieben noch ca. 70 cm Platz für mich übrig.

 

IMG_3551
Probesitzen mit Kartonmodellen

 

Diese Phase war auch für den Werftinhaber sehr wichtig, da er mit dem Bau von Fischerbooten bis zu diesem Zeitpunkt wenig Erfahrung hatte. Wir vereinbarten schließlich, dass die Werft sich um den Bootsbau und ich mich um Ein- und Aufbauten kümmern sollte.

Wie schon aus der 1. Skizze ersichtlich, soll der rechte Rutenkasten in einer Länge von 1,90 m und der linke in 1,50 m ausgeführt werden. Damit habe ich rechts auch genügend Platz für 12 Fuß – Karpfenruten und links finden die Schlepp- und Spinnruten genügend Platz. Der verbleibende Platz an den Außenwänden sollte Rutenständern bzw. einem Kescherhalter Platz bieten.

Auch für einen Fischkasten nach dem vorderen Stauraum war Platz genug. Dieser Kasten war mit einer Breite von ca. 40 cm, einer Länge von ca. 100 cm und einer Höhe von ca. 40 cm groß genug, um nicht nur Köderfische, sondern auch den Tagesfang zu beherbergen.

Diesen Fischkasten wollte ich unbedingt als „Livewell“ nach Vorbild der amerikanischen Bass-Boote ausführen. Ich bestellte also bei BassPro online das „Mayfair Basspirator II“ – Nachrüst-Set. Die Pumpe würde Wasser aus dem See pumpen und direkt in den Fischkasten spritzen. Den Einbau übernahm die Bootswerft.

Da ich alle Aufbauten für das Boot aus Nirosta haben wollte, landete ich schließlich bei der Firma AMIAUD. Im Katalog 2007 ist vor allem die Serie „Pike´n Bass“ absolut für die Ausrüstung eines Fischerbootes geeignet. Ich habe vom Sitz bis zum Rutenständer alles von dieser Firma bestellt und eingebaut.

Bei der Motorisierung war die Entscheidung schnell gefällt, da auf unserem See lediglich E-Motoren erlaubt sind. Um das neue Boot auch entsprechend bewegen zu können, entschied ich mich für einen 24V – E-Motor der Firma MOTORGUIDE. Mit diesem Modell hatten schon viele Angelfreunde gute Erfahrungen gemacht.

Da unser Steg mit Strom ausgestattet ist, werden alle unsere Fischerboote

„verkabelt“ und mit mobilen Ladegeräten ausgestattet. Somit können wir unser Boote nach dem Fischen wie ein „Handy“ direkt am Steg laden. Das ist Luxus im Vergleich zum Bootsakkuschleppen der vergangenen Jahre.

Eine Plane nach Maß und eine kleine Lenzpume für den Fall der Fälle runden das Projekt ab.

 

So, was kann die „Eierlegende Wollmilchsau der österreichischen Binnenfischerei“ jetzt wirklich:

Ufer/Ansitzangeln: JA

Schleppfischen: JA

Downrigger: JA

Planermast/board: JA

Vertikal/Driftangeln: JA

 

Für meine Ansprüche erfüllt das Boot wirklich alle Voraussetzungen für die Binnenfischerei an unserem Stausee.

Jetzt stellt sich natürlich die Abschlussfrage: „Was kostet denn so ein Ding?“ Die Antwort lautet wie so oft: „Das kommt darauf an ….“. Nicht jeder Angler wird alle Kästen benötigen und einbauen lassen. Da die Umbauten frei gewählt werden können, definiert sich dadurch auch der Einzelpreis eines Bootes.

Wenn man sich das besagte Boot jetzt in der Werft anbieten lässt, dann hört sich das momentan nach verdammt viel Geld an. Wenn ihr aber einmal ernsthaft recherchiert, werdet ihr schnell feststellen, dass dieses Angebot „Preiswert“ ist.

Vergleichbare Boote int. Hersteller kosten ein Vielfaches dieses Preises. Außerdem ist so ein Boot ja eine Investition für viele Jahre und bei entsprechender Pflege wahrscheinlich ein Anglerleben lang.

Handwerklich versierte Fischerkollegen haben sich ganz ähnliche Modelle auch schon selbst gebaut. Wenn sie ehrlich sind, dann werden sie jedoch zugeben müssen, dass sie genauso viel in ihr Schmuckstück investiert haben wie ich. Qualität kostet eben Geld, egal ob man selbst Hand anlegt oder den Profi ans Werk lässt.

Solltet ihr Fragen zum Boot bzw. zum Zubehör haben, könnt ihr mir gerne ein E-Mail schicken (siehe KONTAKT auf der START – Seite).

 

Hier noch einige Bilder von meiner „Schöpfung“:

 

Meyer Ticino 031
Werftinhaber Franz MEYER und ich bei der Bootsübergabe

 

Meyer Ticino 022
Ansicht von hinten

 

Meyer Ticino 016
Seitenansicht

 

Meyer Ticino 028
Stauraum vorne und Fischkasten

 

Meyer Ticino 026
Rutenkasten geöffnet

 

Meyer Ticino 018
Amiaud Rutenhalter

 

Stausee (3)
erster Einsatz

 

Ich habe mein „ideales Fischerboot“ gefunden! Nach mittlerweile 8 Saisonen kann ich beruhigt behaupten, dass dieses Boot für mich und mein Revier ideal geeignet ist. Bis jetzt habe ich auch noch keine wirklichen Verbesserungsvorschläge zum Prototyp.

Schön ist auch, dass mein Entwurf auch von anderen Anglern angenommen wurde. Mittlerweile hängen schon einige Boote dieser Serie bei uns am Steg und es werden über die Jahre immer mehr.

 

Petri Heil,

© Wilfried Brocks 2007 – 2014